Die monatliche Schreibwerkstatt kommt manchmal ganz überraschend. Da entsteht in einem Eiscafé in der Pfalz mal fix ein Text für das abendliche Vorlesen. Thema: Schmutzige Wäsche

Das Ende bleibt offen. Ich fühle ich mich wie Scheherazade. Ein Besuch im Waschsalon und in den Ecken lauern genug Geschichten für tausendundeine Nacht. :o)

Unter den Teppich kehren

„Du verdammtes Mistding!“, beherzt trat ich gegen die Waschmaschine, die ausgerechnet heute ihren Dienst quittierte. Auf dem Handy googelte ich nach der Gebrauchsanweisung. Fehlermeldung E26 stand für einen Ausfall der Elektronik. Ich musste mir eingestehen, dass an dieser Front nichts mehr zu gewinnen war. 
Mit einiger Mühe gelang es mir, die Tür der Maschine zu öffnen. Nasse Wäsche und ein Schwall Seifenwasser kamen mir entgegen. Mit Wut im Bauch pfefferte ich zwei Jeans und meine Lieblingsblusen in den Wäschekorb. Der nasse Keller musste warten. Die Wäsche war wichtiger. Schließlich sollten die Sachen in vierundzwanzig Stunden sauber und trocken in einem Koffer stecken und sich mit mir auf dem Weg in den Urlaub befinden. Doch aktuell war an Packen nicht zu denken. Ich brauchte eine Waschmöglichkeit und möglichst auch noch einen Trockner. 
Fieberhaft dachte ich nach. Ein Besuch bei meiner Mutter war keine Option. Sie verfügt zwar über alles, was ich brauchte, doch dafür müsste ich einige Stunden an ihrem Küchentisch verbringen, mir ihre Waschtipps anhören und mir sagen lassen, dass ich als Single in den Vierzigern besser einen Cluburlaub buchen sollte, statt allein nach Island zu fahren. Da würde ich nie einen Mann finden. 
Bevor der Trockner lief, würde sie mir alles über das fantastische Leben meiner Schwester Nele erzählen, die einen tollen Mann, wunderbare Kinder und einen gehorsamen Hund hatte. Ich fand eher den Mann und die Kinder gehorsam und den Hund wunderbar, aber eben auf diese Diskussion wollte ich mich nicht einlassen. 
Meine Freundinnen waren entweder auf der Arbeit oder im Urlaub. Auch hier konnte ich keine Lösung meines Problems erwarten. Also entschloss ich mich, eine neue Erfahrung zu machen. Ich packte den Wäschekorb, aus dem noch immer Wasser tropfte, und machte mich auf den Weg.

Durch das große Fenster sah ich, dass der Waschsalon an diesem frühen Nachmittag gut besucht war. Ein paar Studenten, eine ältere Dame mit Dackel, die verzweifelt versuchte, eine nasse Hundedecke in den Trockner zu wuchten, und ein Mann in meinem Alter, dem das Haar wild vom Kopf abstand und der gegen den Waschmittelautomaten hämmerte. 
Nach einem kleinen Kampf mit dem Korb und der Tür stand ich in dem Raum, der die nächsten drei Stunden meine Herberge sein sollte. Ich stellte den Korb vor einer leeren Maschine ab und ging zu dem Mann, der zum wiederholten Mal Münzen in den Waschmittelautomaten warf, die aber stets wieder durchfielen. Ich tippte ihm auf die Schulter und er drehte sich um. Auf seinem wutverzerrten Mund erschien ein Lächeln, als er auf den Waschtab sah, den ich ihm hinhielt.
„Brauchen Sie den nicht selbst?“ 
„Ich hab noch zwei.“ Dankbar nahm er das kleine Päckchen aus meiner Hand. 
„Kann ich mich revanchieren?“ Er nickte in Richtung eines Kaffeeautomaten, der an der Wand stand. 
„Gern!“ Ich drückte gerade den Startknopf meiner Maschine, als der Mann mir einen dampfenden Becher unter die Nase hielt. 
„Waschmaschine kaputt?“ 
„Sind Sie Hellseher?“ 
„Die Leute hier kann man in drei Gruppen einteilen.“ Er nickte in Richtung der Studenten. „Die sind hier, weil sie keine Waschmaschine haben und weil Mutti den Job nicht mehr macht. Die ältere Dame gehört zu den Kunden, die hier das waschen, was zu Hause nicht in die Maschine soll. Es ist halt netter, wenn die Hundehaare hier das Fusselsieb verstopfen, als zu Hause die gute Miele zu ruinieren. Und dann gibt es Menschen wie Sie, die mit nasser Wäsche reinstürmen und total genervt aussehen. Da muss man davon ausgehen, dass ein Notfall eingetreten ist, der den Besuch hier nötig macht.“ Ich lachte. 
„Gut beobachtet! Und zu welcher Gruppe zählen Sie?“ 
„Ich gehöre wohl in die gleiche Abteilung wie die Dame mit dem Dackel.“ 
„Und was darf bei Ihnen nicht in die heimische Wäsche?“ Er zeigte auf den zusammengerollten Teppich, der vor der Maschine mit der XXXL-Öffnung lag. 
„Ich habe meine tote Nachbarin auf den Wunsch ihrer Familie in die Türkei überführt. Die hatten kein Geld für die irren Kosten des Bestatters.“ Ich sah den Mann an und wartete, dass er zu lachen begann, doch seine Miene blieb ernst. Ich setzte mich mit dem Kaffeebecher in der Hand auf einen Plastikstuhl und zeigte auf den freien Platz neben mir. 
„Die Geschichte muss ich hören. Sie haben drei Stunden!“
 

-Ende-

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