Diese Geschichte war mein Beitrag für eine Ausschreibung zum Thema Moorliteratur. Es gab über 1.000 Einreichungen und ich bekam nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Ich streichel jetzt nochmal über die Buchstaben und dann darf die Geschichte an die Öffentlichkeit und gesehen werden. Ich finde, sie hat etwas Aufmerksamkeit verdient. 

Alte Zeiten

Ich legte Gabel und Messer beiseite und ließ mich genüsslich im Stuhl tiefer sinken. Mein Blick folgte den Schwalben, die am wolkenlosen Himmel mit den Mücken fangen spielten. Einen Augenblick lang fühlte sich das Leben leicht an.       „Nehmen Sie auch an der Führung teil?“ Die Worte der älteren Dame vom Nachbartisch beendeten meine Tagträumerei. „Wie bitte?“ 
„Entschuldigung, ich dachte, Sie würden auch auf den Beginn des geführten Rundgangs durchs Moormuseum warten. Es ist gleich zwölf und noch steht niemand am Treffpunkt. Ich befürchte, für mich allein wird man sich nicht die Mühe machen.“ Die Enttäuschung ließ sich dem faltigen Gesicht der Frau ansehen. 
„Keine Sorge. Jetzt sind wir ja schon zu zweit.“ Ich lächelte meiner Tischnachbarin zu, was diese sofort erwiderte. 
„Ich werde mal reingehen, meinen Buchweizenpfannkuchen bezahlen und nachfragen, ob es pünktlich losgeht.“ 

Zwei Stunden später saßen Inge und ich bei Kaffee und einem Moorwasser-Schnäpschen erneut im Museumscafe. 
„Sie hatten gar nicht geplant, an der Führung teilzunehmen, oder?“ Ihre Frage klang eher nach einer Erkenntnis. 
„Was hat mich verraten?“ 
„Ihr Outfit!“, platze es aus Inge heraus. Ihr war nicht entgangen, dass das dunkelblaue Kostüm und die Pumps sich vor allem im Außengelände des Museums als hinderlich erwiesen hatten. 
„Sie haben mich erwischt.“ Wir lachten beide. 
„Danke! Das werde ich Ihnen nicht vergessen!“ Der Ton ihrer Worte ließ erkennen, wie sehr ihr mein spontanes Handeln zu Herzen ging. 
„Das stimmt!“ Inge machte eine Pause und hing kurz ihren Gedanken nach. 
„Ich habe früher hier in der Gegend gelebt. Mein Mann und ich sind nach dem Krieg als Flüchtlinge im Emsland gestrandet. Wir wohnten im Lager. Er hat im Moor Torf gestochen. Die Zeiten waren schwer. Die Menschen hier hatten selbst wenig. Flüchtlinge wollte keiner. Dazu waren wir noch evangelisch. Sie ahnen nicht, was der unterschiedliche, christliche Glaube damals für Probleme mit sich brachte. Es hat lange gedauert, bis wir hier Fuß fasten.“ 
Ich wusste genau, wovon Inge sprach. Wie oft hatte mein Opa mir von der Zeit nach dem Krieg erzählt. Damals, als das Emsland als Armenhaus des ganzen Landes galt. Als Torf das Einzige war, das die Region zu bieten hatte. Er sprach von der harten Arbeit, dem Brandgeruch, der immer die Luft erfüllte, weil jeder sein Herdfeuer mit Torf in Gang hielt. Ich erinnerte mich selbst gut an die Mondlandschaften, durch die bis vor ein paar Jahren die Torfbahn tuckerte. 
„Früher war nicht alles besser!“, sagte ich gedankenversunken, während mein Blick auf die wiedervernässte Fläche fiel, die sich an das Museumsgeländer anschloss und auf der inzwischen Wollgras wuchs. 
„Lassen Sie uns anstoßen.“ Energisch hob Inge ihr Glas mit dem Moorwasser. 
„Darauf, dass wir aus der Vergangenheit und unseren Fehlern lernen. Mögen die guten Zeiten vor uns liegen.“ 
Die Gläser klirrten und irgendwo quakte ein Frosch.

-Ende-

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